Nach den vielen wunderschönen, nackten Frauen habe ich diesmal beschlossen, einen Männerakt ganz besonderer Natur zu zeigen.
Der nackte Körper liegt auch hier in ganzer Bildbreite ausgestreckt auf einem zerwühlten Bett, entspannt wie im Tiefschlaf. Es ist der Körper eines jungen Mannes, schön proportioniert, kraftvoll, muskulös. Aber wo der Kopf sein sollte, werden wir mit einem verstörenden Anblick konfrontiert: dem kopflosen, blutenden Hals. 

Hinter dem Bett, neben dem Eingang zum Zelt, gruppieren sich die Krieger (einer hat sogar sein Pferd dabei!). Sie blicken auf die gräßliche Szene, jeder mit seinem eigenen Ausdruck des Schreckens oder des Entsetzens. Sie haben ihren Anführer Holofernes glücklich in Judiths Armen erwartet und müssen jetzt mit dieser grauenvollen Realität fertigwerden. 

Die Geschichte entstammt der Bibel. Der assyrische Feldherr Holofernes, General des babylonischen Königs Nebukadnezar und bekannt für seine Erbarmungslosigkeit und Grausamkeit, belagert mit seinen Truppen die judäische Stadt Bethulia, die kurz vor der Kapitulation steht.

Die schöne Judith beschließt, mit einer gewagten Aktion ihrer Stadt zu helfen. Mit ihrer Magd und mehreren Krügen köstlichen Weins erscheint sie im Lager der Assyrer und lässt sich zu Holofernes Zelt bringen. Dort angelangt, verspricht sie dem Anführer eine leidenschaftliche Nacht. Holofernes, betört durch ihre Schönheit und Klugheit, schickt seine Diener weg und beschließt somit sein Schicksal. Nachdem er betrunken und zufrieden eingeschlafen ist, schneidet ihm Judith den Kopf ab. Als die Soldaten am nächsten Morgen den enthaupteten Feldherrn entdecken, ergreifen sie die Flucht und Bethulia ist gerettet.

Diese abenteuerliche Geschichte wird in der Kunst oft aufgegriffen und ist von vielen namhaften Malern abgebildet worden. Botticelli erzählt die Geschichte, als alles schon vorbei ist. Der mächtige Feldherr hat den Kopf buchstäblich verloren, die Soldaten sind in Panik, die Schlacht ist verloren. Die Perfektion, mit der der männliche, nackte Körper gemalt ist, die Gruppierung der Krieger nebeneinander im Hintergrund verweisen auf die klassische Ausbildung des Malers. Botticelli lässt sich hier für die Komposition der Szene ganz eindeutig von antiken Reliefs inspirieren.

Zu diesem Gemälde gibt es ein Pendant, das einen weiteren Teil der Geschichte zeigt. Dem widmen wir uns im nächsten Kunstgespräch.

Sandro Botticelli, Entdeckung des toten Holofernes, um 1469/70, Holz , 31 x 25 cm, Galleria degli Uffizi, Florenz.