Dieses verstörend schöne Meisterwerk Cristo in scurto (Cristo morto) wurde nach Mantegnas Tod in seinem Atelier gefunden. Informationen über Auftraggeber, Bestimmungsort und genaue Entstehungszeit fehlen gänzlich.
Der toten Körper Christi liegt auf einem Stein, dürftig bedeckt von einem leichten Tuch. Wir als Betrachter stehen dicht an den Fußsolen, die uns über die Kante des Steins entgegen ragen. Der Körper ist perspektivisch extrem verkürzt (daher die Bezeichnung „in scurto“). Der Kopf ist nur sichtbar, weil er von einem prallen Kissen gestützt wird. Zwei Frauen, in die obere Ecke des Bildes gezwängt, weinen verzweifelt. Sonst passiert hier nichts, alles ist schon geschehen.
Wie die Handlung, so ist auch die Farbe reduziert. Andrea Mantegna hat das Gemälde nicht mit Öl gemalt, brillant und kräftig, sondern mit zurückhaltender, transparenter Tempera (beim genauen Hinschauen, kannst du die Struktur der Leinwand unter der Farbe erkennen). Die Szene ist in ein fahles, kaltes Licht getaucht, das bestens die Tragik der Situation unterstreicht.
Noch verstörender wirkt der Kontrast zwischen der Kraft, die dieser Körper durchaus noch besitzt, und den Zeichen des grauenvollen Tods. Der Körper zeigt überdeutlich die Nagellöcher, wirkt blutleer im Vergleich zum rötlichen Stein, der fleckig von Blut, Tränen und Salbe ist.
Mantegna zeigt uns wieder mal seine Bravour in der Darstellung von Perspektive. Dieses Bild ist aber viel mehr als eine illusionistische Hochleistung. Die göttliche Distanz ist hier komplett überwunden. Gottes Sohn wird hier zu einem Menschen wie wir – ein Mensch, der Schmerz empfindet und doch bereit ist, einen grauenvollen Tot zu sterben, um uns allen vom ewigen Tod zu retten. Eine starke Botschaft, die mit unglaubliche Kraft und Modernität dargestellt wird.
Cristo in scurto (Cristo morto), Andrea Mantegna, 1464-1500 Pinacoteca di Brera, Milano